Heute reden wir alle davon, dass wir gestresst sind. Burnout ist ebenfalls ein Begriff, der gerne und oft in Verbindung mit einem gestressten Alltag verwendet wird. Dabei trifft dies nicht nur Menschen, die sich in einem bezahlten Beruf verausgaben, sondern durchaus auch solche, die zu Hause für alles sorgen. Zum Beispiel, weil sie ihre Eltern pflegen oder weil sie mit einer Doppelbelastung nicht mehr umgehen können. Tritt dann die Erschöpfung ein, fühlt man sich noch zusätzlich als Versager. Als Jemand, der den Anforderungen scheinbar doch nicht gewachsen ist. Doch was ist denn eigentlich Stress und warum ist es ein Problem?
Stress ist in erster Linie eigentlich eine lebensnotwendige Körperreaktion. Es ist ein Notfallprogramm, bei dem wir innerhalb von Millisekunden Kampf- oder Fluchtbereit sind. Muskeln spannen sich an, Atmung und Herzschlag beschleunigen sich, die Verdauung wird langsamer und die Wahrnehmung verengt sich auf wenige Details. Grundsätzlich etwas Gutes, denn wir sind in diesem Moment auf dem Punkt leistungsfähig. Problematisch ist nur, wenn nach einer Anspannungsphase nicht die notwendige Entspannungsphase folgen kann, bzw. wenn wir unter chronischem Stress leiden. Die Folgen sind dann sehr vielfältig. In meiner Tätigkeit als Yogalehrerin stelle ich bei meinen gestressten TeilnehmerInnen vor allem häufige Nacken- und Rückenverspannungen fest. Diese sind auch meist Auslöser für Migräne oder Kopfschmerzen. Viele berichten mir auch von Verdauungsproblemen oder Bluthochdruck. Meistens erzählen sie mir dies, weil sie davon ausgehen, dass eben der Körper Grund dafür ist. Er funktioniert halt nicht mehr so, wie er soll. Die Möglichkeit, dass dies die Folgen von dauerhafter Überforderung und Stress sein könnte, ziehen einige gar nicht erst in Betracht.
In meiner Definition ist Stress an sich nichts schlechtes. Er kann sogar Spaß machen. Er kann aufregend sein und Deine Welt bunter machen. Wichtig ist nur, dass wir auch wieder lernen zu entspannen. Und noch wichtiger ist es, zu erkennen, dass Stress eigentlich erst im Kopf beginnt und nicht unbedingt von Außen kommt.
Da wir heute keine Säbelzahntiger mehr haben, die uns verspeisen wollen, sind es Ehepartner, Kinder, Schwiegermütter und Chefs, die uns stressen. Interessanterweise sind dies aber eigentlich nie lebensbedrohliche Situationen - für die ja unsere körperliche Stressreaktion quasi erfunden wurde. Leider reagieren wir darauf aber oft so, als seien sie das. Wir atmen flach, das Herz schlägt bis zum Hals und der Streit schlägt uns auf den Magen. Addieren sich dann die Ereignisse, haben wir das Gefühl, "wir kommen gar nicht mehr runter". Wir reagieren genervt und "gehen wegen jeder Kleinigkeit hoch". Und das stresst uns noch mehr, denn dann kommen meist auch noch Schuldgefühle dazu. Wir werden nervös und urteilen die ganze Zeit - am härtesten über uns selbst. Wir ärgern uns, dass das Päckchen von der Online-Bestellung noch nicht da ist, obwohl wir es heute nicht unbedingt brauchen. Und sogar die gute Laune unseres Kollegen kann uns zur Weißglut bringen, weil er sich fröhlich und viel zu frühzeitig in den Feierabend verabschiedet. Wir befinden uns dann in einem Hamsterrad und manchmal haben wir keine Ahnung, wie wir wieder heraus kommen sollen.
Sich dessen bewusst zu werden, ist häufig schon der erste Schritt zu einem enspannteren Leben. Denn nur durch das Bewusstsein Deiner Gedanken, kannst Du den Kreislauf, der häufig entsteht, durchbrechen. Nur wenn Du weißt, dass Du schon wieder Dein härtester Kritiker bist und schlimmer mit Dir urteilst, als Du es mit jedem anderen tun würdest, kannst Du es ändern. Nur wenn Du merkst, dass Du Dich eigentlich nur auf die schlechten Eigenschaften Deines Kollegen konzentrierst und nicht auf seine viele guten Seiten, kannst Du die Entscheidung treffen, es einmal anders zu probieren.
Selbst der Gedanke "Ich bin wieder sooooo gestresst" impliziert doch irgendwie, dass Stress etwas schlechtes wäre. Was wäre, wenn Du heute beschließt, dass es aber eigentlich etwas Gutes ist?
Comments